Über 90 Jahre Deutsch-Französische Gesellschaft in Berlin - ein Rückblick
Sieben Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkrieges bewiesen der französische Außenminister Aristide Briand und der deutsche Außenminister Gustav Stresemann durch den Abschluss des Vertrages von Locarno, dass trotz der wechselvollen Geschichte beider Länder ein gemeinsamer Weg der Annäherung und Verständigung beider Völker möglich ist. Die sich abzeichnende Wende in den politischen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland hatte zur Folge, dass sich erste Kontakte auf den verschiedensten gesellschaftlichen Ebenen entwickelten. Neue Aktivitäten und Perspektiven eröffneten sich für diejenigen, die die Bedeutung der deutsch-französischen Achse für ein friedliches Europa erkannt hatten.
Eine wichtige Brücke stellte hierzu das Erscheinen der Monatszeitschrift „Deutsch-Französische Rundschau" dar. Gründer war der Journalist und Dozent für Kunstgeschichte Dr. Otto Grautoff. (1876-1937) aus Berlin. Zur finanziellen Absicherung dieser Monatszeitschrift gründete er 1928 die „Gesellschaft der Deutsch-Französischen Rundschau", aus der noch im gleichen Jahr die „Deutsch-Französische Gesellschaft Berlin" hervorging. Sie wurde schnell zum Forum des deutsch-französischen Dialogs und diente zugleich als Kommunikationszentrum für alle Frankreich orientierten Vereinigungen und Institutionen. In kurzer Folge wurde die Berliner DFG zur Mutter weiterer Deutsch-Französischen Gesellschaften (formal „Ortsgruppen" der DFG Berlin) in Frankfurt am Main, Köln, Stuttgart, Breslau, Mannheim, Nürnberg und Wien sowie in Paris, Le Havre und Sens. Dem ersten Präsidium gehörten herausragende Persönlichkeiten aus Deutschland und Frankreich an, darunter Konrad Adenauer, Albert Einstein, Otto Dix, Thomas Mann, Walter von Molo, Georges Duhamel und André Gide.
Im Juli 1934 wurde die Berliner Gesellschaft auf Betreiben von Otto Abetz, dem Frankreich-Referenten in der außenpolitischen Dienststelle Ribbentrop, aufgelöst. Joachim von Ribbentrop, der spätere Reichsaußenminister, war seinerzeit außenpolitischer Berater Hitlers. In der Berliner Presse wurde dies unter dem expliziten Hinweis mitgeteilt, dass die Gesellschaft von 1928 nicht mehr dem Geist der Zeit entsprach. Die im Oktober 1935 neu gegründete Gesellschaft, deren Geschäftsführer Otto Abetz wurde, hatte außer dem Namen nichts mehr mit der 1928 gegründeten Gesellschaft gemein.
Am 8. September 1949 wurde die Deutsch-Französische Gesellschaft Berlin im Haus der Wirtschaft in Berlin-Steglitz (Lepsiusstr. 103) wieder ins Leben gerufen. Von 1950 bis einschließlich Juni 1991 hatte sie ihren Sitz sowie einen repräsentativen Raum für vielfältige Veranstaltungen in der Maison de France am Kurfürstendamm. Nach zahlreichen Umzügen im Bezirk Berlin-Wedding (Centre Français de Wedding Müllerstraße und Bezirksverwaltung Seestraße) hat sie seit April 1998 ihre Geschäftsstelle in der 1872 erbauten Villa Wuttke des Bezirksamtes Berlin-Mitte.
Bis 1994 war die Gestaltung der Vereinsarbeit stark geprägt durch die engen Kontakte zur französischen Schutzmacht. Mit der politischen Veränderung Berlins hat sich das Spektrum der Aktivitäten erweitert. Aber nach wie vor ist die Deutsch-Französische Gesellschaft Berlin tragendes Element der deutsch-französischen Verständigung und Vermittlung der französischen Kultur in Berlin. Ihre Vereinsarbeit erhält durch die Mitgliedschaft in dem Arbeitskreis auf Bundesebene „Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa e. V." neue Impulse und Perspektiven im Sinne einer Völkerverständigung im erweiterten Europa.